Stadelhorn 2286 m, „Fata Morgana“, VII- 

Nach dem  traumhaften  Fels des Wagendrischelhorns , zieht es mich erneut in diese Ecke der Reiteralm. Diesmal mit Hartmut und dem Vorsatz, den Forstweg nun doch per Bike zu nehmen. Der Abstieg letztes Mal hat sich doch gezogen und so können wir heute, wie durch ein Wunder „keine Fahrverbotstafel mehr entdecken“. Hartmut, als alter Radbegeisterter, legt wie üblich ein Tempo vor, das nur noch durch seinen Motorroller übertroffen wird. Irgendwie hechle ich nach, aber es gibt ja immer allerhand beim Radfahren zu tun: Sattel richten, Rucksack gerade richten, Schuhbänder binden oder ein Foto machen…, da hat man gut Zeit zum Luft holen.  Auch ein Jagdaufseher kommt zum Verschnaufen gerade recht. Zuerst ein wenig ruppig, wegen des Fahrverbotes, dann aber ganz umgänglich und freundlich. Er klagt uns sein Leid wegen der vielen e-biker, welche bereits um 5 Uhr Früh die Gämsen in unschießbare Höhen vertreiben. Wir bemitleiden ihn und radeln weiter.

Nach dem Verstecken der Räder wird gewandert und auch das nicht zu langsam. Ein sehr ursprünglicher Weg lässt Freude aufkommen und so sind wir trotz viel Ratschens nach 1.45 Std. am Einstieg angelangt. 

Bohrhaken werden nach dem Vorbau gefunden. Aber, Poah, da zieht es rauf. Die Haken sind „unendlich weit entfernt“ und ein hängender Rückzugskarabiner lässt Zweifel aufkommen, ob wir hier schon in der richtigen Tour stecken. Aber, es findet sich nichts Leichteres. Also einfach mal ansehen. Ich starte in die extrem wasserzerfressen raue, senkrechte  Platte. Immer wieder findet man ein Griffchen und langsam geht es höher. Die Haken lassen sich alle perfekt klinken. Eine Amann/Brüderl-Tour eben. Je höher ich komme, desto genialer wird’s. Die Griffgröße nimmt zu, es bleibt fast senkrecht und man turnt förmlich hinauf. Das Leben kann auch schön sein! 

Hartmut kommt nach und übernimmt dann auch gleich die Führung. Es wird leichter, dafür aber nicht weniger schön. Einzig und allein eine gewisse Müdigkeit in mir macht mich etwas nervös. Aber ich verdränge die Gedanken, denn von früher denke ich an Peter, der auch immer müde war und dennoch im VIII. Schwierigkeitsgrad sauber kletterte. Na, vielleicht werde ich so auch besser und das ist auch notwendig, denn es kommt die 40 Meter Superplatte. Mit gehörigem Respekt gehe ich das Ding an. Mit gefinkeltem rechts-links-Queren löst sie sich ideal auf. Gespickt mit Löchern und seichten Rissen lässt sich herrlich durchfinden. Hartmut kann es hinten nach erst so richtig Genießen und mit breitem Grinsen kommt er am Standplatz an. Irgendwie hat die Platte die Müdigkeit vertrieben und ich steige auch gleich weiter. Es läuft super, bis auf die 11.SL. Die ist ebenfalls mit VII- bewertet, aber hier habe ich keine Chance. Rein ins Schlingerl gestiegen, den Haken gewürgt und weil es so toll ist auch noch 2,3 andere und die 11.SL ist Geschichte. Nun darf sich Hartmut an einem hellen Fellsausbruch (oder sind es nur Flecken vom Felsreinigen durch die Erstbegeher?) vorbeischummeln, was auch nicht ganz leicht von der Hand geht. Insgesamt ist die Tour aber bis zum letzten Meter einfach super. Nach 3 ½ Std. dürfen wir uns die Hände schütteln und dann kommt noch der Gipfelgang.

Am Kreuz angelangt schweift der Blick über die gesamte Reiteralm. Aber besonders der Blick zu den Mühlsturzhörnern ist imposant. Sofort kommen Gedanken zu neuen Klettertouren auf. Nach gewohnt kurzer Rast geht es über den nicht ganz leichten Abstieg zur Mayrbergscharte und hier über Drahtseilversicherungen zu den Rucksäcken. Der weitere Abstieg zu den Rädern fällt gar nicht auf. Die Drahtesel werden zwischen die Beine geklemmt und ich traue meinen Augen kaum wie Hartmut sich mit einem Höllentempo den Forstweg runterwirft. Bergab tritt der sogar noch dazu! Ich erreiche gerade mal doppelte Gehgeschwindigkeit und ernte dafür nur den Kommentar: Jetzt ist mir klar, warum du dich auf meinem Motorroller so fürchtest! Ich denke, das nächste Mal gehe ich wieder zu Fuß.

Walter​​​​​​​​
Tourendatum: 7.9.2021