Tennengebirge, Kemetstein, „Go West“ VII+ ( VI+/Ao)

Regen, Regen, Regen. Samstag soll schön sein, aber wohin bei der Nässe. Dazu kommt der Urlauberwahnsinn auf den Straßen und viel Motivation. Nach langem Hin und Her entschließen wir uns für den Kemetstein.  

Dieser liegt in einem einsamen Winkel des Tennengebirges von der Wengerau aus. Um dem Verkehr auszukommen, reise ich mit dem Zug nach Werfen an. Hartmut steht am Bahnhof schon bereit und mit seiner 12 PS-„Großraum-Vespa“ geht es nach Werfenweng. Mein Kopf passt gerade so in den Helm seiner Frau, aber niemand sagt mir, dass man ein Visier vorklappen kann. Und so spritzen meine Tränen bei dem Fahrtwind nur so in der Gegend herum. Augen schließen ist die beste Option, da ich dann auch nicht viel von der Fahrt mitbekommen. Ich kann nur sagen: ich habe mich gefürchtet!

Kurze Zeit später wandern wir in die Wengerau. Beim Abzweigen zum Trogsteig sind wir etwas zu ungeduldig und biegen zu früh rechts weg. Herrlich, wenn man Erlen und Buchengebüsch so hautnah erleben darf. Irgendwie schlängeln wir uns so durch und kommen zum Glück bald auf den richtigen Pfad. Nun geht es lustig voran. Wir haben uns, wie üblich, viel zu erzählen und weil es so lustig ist, rutsche ich auf einer Wurzel aus und runter geht’s die Böschung. Eh nur 2 Meter, aber der linke Oberschenkel bedankt sich dafür. Wurscht. Brennt ein wenig, ist aber kein Problem. Zum Trost folgt eine prächtige Blumenwiese, wie selten zuvor gesehen. Am Fuße der Wermutschneid geht es den Pfadspuren des Schneiderleitensteiges folgend durch den Latschengürtel und anschließend noch eine Gras-Schrofen-Flanke zum Fuß des Kemetsteins. Hier präsentiert sich für mich das 4. Erlebnis dieses Tages. 2 ausgewachsene Kreuzottern ( in diesem Fall Höllenottern, weil ganz schwarz) wuzeln sich vor mir und ich kann es kaum glauben, auf einmal gehen sie zum Angriff  über. Blitzschnell sind sie in Beißnähe und mir bleibt nur ein Sprung den Hang hinunter. Dabei habe ich gerade noch Zeit, Hartmut einen Schistock in die Flanke zu rammen.  Poah, das war knapp. So etwas habe ich auch noch nie erlebt! Die Folge der Aktion: Zum Abgeschürften Oberschenkel hat nun meine linke Flanke auch was abbekommen. Als hätte mir ein Tiger eine aufgelegt. Wurscht. Jetzt spüre ich wenigstens das Brennen vom Oberschenkel nicht mehr. Nur der Rucksack drückt hier ein wenig. 

Letztendlich erreichen wir den Einstieg nach ein wenig suchen und mir ist auch klar, warum ich so schnaufen musste. 1 ½ Stunden sind eine gute Zustiegszeit. 

Ich darf starten. Beginn mit einer genüsslichen IVer Platte, aber dann steigert sich die Schwierigkeit allmählich. Was sofort auffällt, ist die weiträumige Bohrhakenabsicherung. Für angegebene +++ bis ++++ Absicherung bin ich hier nervlich durchaus gefordert. Dazu kommt, dass auch noch einiges an Feuchtigkeit in der Wand steckt  und nicht wie beschrieben: die Tour trocknet nach Regen sofort ab! Somit wäre es beinahe schon in der ersten SL zum Rückzug gekommen, denn die VI+ Wasserrille war richtig nass und die Angst vorm Ausrutschen riesig groß. Erst nach dem 4. Anlauf kann ich mich zu einem Durchsteigen überwinden. Hartmut bringt die 2. SL rasch hinter sich und die dritte mit V sollte wohl auch kein Problem sein. Allerdings habe ich immer das Gefühl, man könnte hier auch seilfrei klettern, bei den Hakenabständen. Für die 4. Länge dränge ich mich vor. So ein schöner VIer wäre doch etwas. Es geht 7-8 m nach links. Weit und breit kein Haken und eine glatte Rinne bildet den Weiterweg. So gehe ich nicht weiter. Gerade als ich aufgeben wollte entdecke  ich die beschriebene Sanduhrschlinge in einer Nische, mit Erde und Gras weitestgehend zugewachsen. Ich klinke in das matschige Stück und zittere mich weiter. Da! 2,3 Meter über mir wieder ein Bohrhaken. Freudig hänge ich ein und erreiche die Leiste nach rechts. Hier geht’s locker hinüber, doch dann kommt eine Unterbrechungsstelle. Von dem eingezeichneten Haken keine Spur, auch die Sanduhr ist Fantasie. Ich stehe gut 5 Meter über dem letzten Haken und nun wird es leicht splittrig, nass und der nächste Haken 2 Meter entfernt. Ich kann es nicht fassen, dass hier für mich Schluss ist. Alle Möglichkeiten werden gesucht, aber einen Abgang von gut 10 Metern möchte ich einfach nicht riskieren. Wurscht. Abklettern zum letzten Haken und abseilen. Das geht ohne Probleme und schon bald sitzen wir wieder bei den Rucksäcken.  Ich freue mich über Hartmut. Kein Grollen, kein Jammern, kein Wehleid über den Rückzug. Einfach gut gelaunt. So macht es Spaß.  Der verschwindet auch nicht nach unserem 6. Erlebnis an diesem Tag, als er gewaltig umknöchelt und man der Schwellung beim Wachsen fast zusehen kann. Einziger Kommentar von ihm: Da muss man weiter gehen, sonst fängt es zu schmerzen an. Da wir die Schlangen nicht mehr gefunden haben, hält uns am weiteren Abstieg  auch nichts mehr auf und schon bald darf ich mir wieder den Helm aufschnallen und jetzt fängt das wirkliche Abenteuer des Tages an! Was die Kolben der „GroßraumVespa“  hergeben rasen wir der ausgezeichneten Topfentorte von Hartmut`s Frau und Kaffee in St.Johannentgegen! Lieber Gott! Lass diesen Tag einfach nur gut  vorüber gehen! 

Was freue ich mich auf die nächste Tour mit Hartmut!

Walter​​​​​
Tourendatum: 09.08.2021