Bauernpredigtstuhl, „Rittlerkante“, V+/Ao ( VI+)

Vor 26 Jahren kämpfte sich meine liebe Frau bei fast Schlechtwetter und vollentbranntem Bohrhakenstreit ( und somit abgeflexten Haken und fast keine Normalhaken) mit mir die Kante hinauf. Beinahe wäre eine Ohrfeige sicher gewesen, aber der liebe Gott hatte erbarmen und ließ in der letzten SL die Sonne durchblinzeln. Da mir die Kante als nicht sehr schwierig mit kurzer Schlüsselstelle in Erinnerung blieb, wollte ich diese nun meiner Tochter bei Schönwetter zeigen. Um 5.30 Uhr holt sie mich ab und gemütlich, um mein Knie zu schonen , steigen wir dem Ziel entgegen. Der Schnee an den Wandfüßen bedeckt noch die Schotterquerung und so müssen wir uns unseren eigenen Weg bahnen. Ab und zu erreicht leichtes Geschimpfe mein Ohr, aber da man im Alter schon schlechter hört, ist das kein Grund, dem Acht zu geben. Zuletzt ist dann doch ein Schneefeld zu queren. Die leichten Schuhe garantieren ein Ausrutschen und so muss ein Stein zum Stufenschlagen herhalten. Knapp, bevor die Finger abgefroren sind, erreichen wir wieder festen Boden und schon sind wir am Rucksackdepot.
Eine frische Brise empfängt uns und lässt, trotz des heißesten Tages des Jahres, Gedanken an einen Pullover aufkommen. Nichts da, jetzt wird eingestiegen. Sehr weiträumige Sicherung mit nur wenig Möglichkeiten, vernünftige Keile zu setzen und ein wirklich ganz ordentlich abgespeckter Fels bringen mich gehörig zum Schnaufen. Manchmal denke ich mir, man könnte die Tour auch seilfrei klettern. Die erste V+ Stelle nötigt mir einige Versuche ab. Ich traue mich einfach nicht auf die völlig glatten Tritte zu steigen. Erinnerungen an den Höttinger Steinbruch werden wach. Ich zittere mich höher und verschwinde in dem anschließenden Kamin. Mit Gerampfe und Gestöne wurschtle ich mich höher. Sch… Kaiserrisse! Und das soll nur V-IV sein? Was sehne ich mich nach den eleganten Platten in den Berchtesgadener Alpen. Irgendwann kommt wieder einmal ein Normalhaken. 9 Stück sollten es insgesamt werden und dazu 3 Bohrhaken. Martina rampft brav nach. Nur in der Schlüsselseillänge wird ein wenig geschimpft. Kein Wunder, denn die Platte ist auch ordentlich glatt. Wie man mit dem Alter doch gewisse Dinge vergisst. Dazumal war das ein kurzer Zug, schon etwas schwierig, aber nicht so schlimm. Nun bedeutet es „Das Letzte im Fels“ und die Haken werden gewürgt wie selten zuvor. Anschließend schon wieder ein „Sch…-Riss“ ohne Haken und zum Schluss noch ein brüchiger Endgrat. Ich muss gestehen, ich war gar nicht unfroh, als Martina das Gipfelkreuz begrüßte. Die Sonne küsst uns und sprunghaft steigen die Temperaturen. Nichts wie weg und wir vergessen den Eintrag im Gipfelbuch. Die Chronisten werden es verzeihen. Abseiler, brüchiges Abklettern und nochmals 4 x abseilen und die Rucksäcke sind wieder erreicht. Martinas Sorge um den Schrofenabstieg sind unbegründet, denn wir finden einen schönen Schotterstreifen und rasch geht es dem großen Schneefeld entgegen. Wir hoffen auf Abkühlung, doch wie ein heißer Haarfön springt uns die Hitze vom Tal entgegen. In den Latschen werden wir noch ordentlich durchgekocht und das zwingt uns zur Gaudeamushütte. Man hört förmlich das Zischen von Almdudler und Apfelsaft.
Je weiter wir uns vom Bauernpredigtstuhl entfernen, desto schöner wird die Tour, aber mir ist klar: ein 3. Mal gehe ich sie nicht mehr.

Walter​​​​​​​​

Tourendatum: 30.6.2019