Fleischbank Ostwand, „Dülfer“ VI; Karlspitze „Wirtskante“ VI+

Nach all den gewittrigen Wochenenden endlich mal wieder Kaiserwetter. ‚Zeit für eine Pause‘ denken wir uns, und so starten Robert und ich Samstagfrüh zu gemütlicher Zeit. Wir haben uns für die Dülfer in der Fleischbank Ostwand entschieden. Von der Wochenbrunner Alm geht’s zügig zum Elmauer Tor. Hier legen wir alles Unnötige ab und gehen noch die wenigen Meter zum Einstieg. Der Plan der tagesletzten Seilschaft geht auf. In der 4. Seillänge treffen wir dann auf die ersten Boten der zahlreichen Begehungen: das entscheidende, mittlerweile einem Bronzeknauf gleichende Köpfl thront über dem kurzen Überhang. Da unter diesem die Füße auch schon schmieren, wird nicht lange gezögert. Danach startet feine Kletterei an festem Fels in Rissen und über kürzere Wandstellen. Die plattigen Quergänge werden heute frei geklettert, wobei allerlei altes Material von diversen Seilmanövern zu finden ist. Die letzte Seillänge verlangt dann nochmal vollste Konzentration, denn im 6er Schulterriß heißt es gut zu klemmen und sich dann zur richtigen Zeit hinaus zu trauen. Noch ein paar kraftige Meter und wir stehen stolz am Ausstieg. Wir steigen gleichzeitig zum Gipfel, wo wir die frühabendliche Ruhe für ein paar Minuten genießen können.
Das Fazit: ein wirklicher Klassiker, der mit vernünftigen Standplätzen und wenigen gebohrten Haken an den wichtigsten Stellen angenehm sanft saniert wurde.
Anschließend geht es hinab durch die Schöllhornrinne und weiter zur Abseile südlich des Christaturms. Trotz vorgerückter Stunde treffen wir hier noch auf das Stauende. Wir können uns aber mit den letzten zwei Seilschaften auf eine Kooperation einigen, und so sind wir in Summe wohl alle schneller wieder im Kar. Nur noch wenige Meter sind es zum geschickt gewählten Rucksackdepot. Von da aus geht’s mit großen Schritten durch das Geröll hinab zur Gaudeamushütte, wo uns kurz nach Küchenschluss noch ein 3-Gänge-Menü gezaubert und der Durst gelöscht wird. Wir bleiben gerne.
Das Zeitbudget am Sonntag ist etwas knapper, weshalb wir uns für eine kurze, aber knackige Kletterei entscheiden. Zwischen der Dülfer und der Wirtskante am Gaudeamuspfeiler der Karlspitze liegen fast 100 Jahre Klettergeschichte. Oft ausgesetzt und stets kraftig zieht die Route ab der ersten Seillänge fast immer im 6ten Grad über hervorragend feste Platten mit oft scharfen Griffen. Das Ganze ist gut mit Bohrhaken abgesichert, allerdings weit von Plaisir entfernt. Wir genießen die athletische Kletterei. Damit ist in der Mitte der letzten Seillänge allerdings Schluss. Die Moral versagt ein wenig bei zunehmender Schwierigkeit mit größeren Hakenabständen und dem Gedanken eines 10-m-Sturzes auf scharfkantiger Platte. Ein Blick ins Wandbuch verrät: wir sind nicht die Einzigen, die hier abblitzen. Aber es ist eh schon Zeit umzukehren. Mit den 60-m-Seilen sparen wir uns gleich zwei Abseiler und nicht viel später sitzen wir mit dicken Armen und müden Schenkeln beim Kuchen auf der Wochenbrunner Alm.

Kay