Ciavazes, „Schubert“, VI, 1. Sellaturm, Südwestwand, „Schober“, VI-

Eine erneute Urlaubswoche ist angebrochen und wie üblich schlechtes Wetter. Aber der Süden verspricht Sonnenschein und zu meinem unglaublichen Glück kann sich Kay auch kurzfristig frei nehmen. Als beherzter Frühaufsteher starte ich in Salzburg um 4.30 Uhr und wechsle in Kay`s Fahrzeug 2 Stunden später, bei Innsbruck Süd. Wolken hängen herum und ich hätte ja schon einige Topos für den Gardasee dabei, doch Kay zieht es zum Sellajoch.
Nach einem schnellen Cappuccino einigen wir uns auf die Schubert. Vor Jahrzehnten bin ich die schon geklettert und habe sie als schöne Tour mit schwieriger Einstiegsseillänge in Erinnerung und beginne auch sofort mit dieser. Als mittlerweile eingefleischter Plaisirkletterer werde ich aber rasch auf den Boden der alpinen Realität zurückgeholt. Steil, speckig abgegrapschte Tritte und Griffe, diese ab und zu auch locker, dafür aber nur sehr wenige, sehr schlechte Haken. Zum Glück hängt ein volles Equipment am Gurt und die Bastlerei beginnt. Meterweise schiebe ich mich aufwärts und es braucht doch einiges an Zeit, bis der gebohrte Stand in Beschlag genommen werden kann. Nun sollte es leichter werden, doch die schlechte Absicherung beschert auch Kay eine Bastelstunde und es geht schleppend voran. Irgendwie kommen in mir Gedanken an meine Kletterjugend hervor. Jaja, da war so etwas super und ein flaues Gefühl in der Magengrube, ob der Kletterpartner eh nicht daher fliegt und der Standplatz gleich dazu, hinterließ langanhaltende Erinnerungen an die Pauseextremklassiker.
Seilzug reißt mich aus den Gedanken. Kay hat Stand und ich darf wieder weiter. Die nächste VI- wäre eigentlich gar nicht schwer, aber auch hier halten die örtlichen Gegebenheiten einen Kletterfluss in Zaum. Die obere Hälfte der Tour wird besser, mit grauem und rauem Fels. 3 ½ Stunden später schütteln wir uns die Hände und über das Gamsband sind wir bald wieder beim Auto.
Kurze Stärkung und da es so furchtbar war, starten wir sofort in die nächste Tour. Die Schober am 1. Sellaturm schaut, sowohl am Topo, als auch in Natura, sehr schön her und ich fürchte mich schon wieder einen eindrucksvollen Turmriss hinauf. Zwar nur IV+, aber schön steil, mit großen Schuppen und keiner Sicherung. Kay startet sodann in das VI- Wandl. Sehr guter, kleinlöchriger Fels, doch auch hier benötigt man gute Nerven, denn trotz vereinzelter Haken sind Bandklatscher durchaus möglich. Je höher wir kommen, desto schöner wird der Fels und das Keilgefummel stört auch immer weniger. Der Mensch ist immerhin anpassungsfähig. Um 17.00 Uhr ist der Gipfel erreicht, ich entscheide mich aber nicht fürs Abseilen, sondern für den gemütlichen Abstieg zu Fuß, denn auch hier kommen Jugenderinnerungen über allerlei Seileskapaden auf.
Einziger Wermutstropfen an diesem Tag: Kay muss leider hungrig nach Hause fahren, denn mein Weg nach Salzburg ist noch weit und ich verweigere eine Einkehr.
Und dieser verdammte Fotoapparat gibt seinen Geist auf!

Walter​​​​​​​

Tourendatum: 6.9.2017