Wilder Kaiser, Kleine Halt, 2116 m, „Kolosseum“, VII-/Ao ( VI+/Ao)

Vor Jahren kletterte ich die Via Aqua und habe sie als sehr schöne Tour in Erinnerung. Um so mehr freut es mich, als ich eine 2. Tour an dieser großen Wand im „Long-lines“ Buch finde und Adi Stocker die Tour mit „-genussvolle, eher leichte Plattenkletterei mit großteils hervorragendem Fels“ beschreibt.
Christian ist diesmal so nett und begleitet mich. Allerdings startet die Tour mit bereits 1 Stunde Wartezeit am Grenzübergang Walserberg. Der Radio weiß zwar nichts davon, anrufen wollten wir ihn allerdings auch nicht. Das wird doch wohl nicht unseren Zeitplan durcheinander werfen? Endlich, um 6.00 dürfen wir in Deutschland einreisen und es ärgert sehr, weil am Kontrollpunkt niemand da steht und auch nur irgendetwas kontrolliert! Vortäuschen falscher Tatsachen würde ich sagen, aber was nützt es. Vollgas und nach Kufstein. Um 7.00 schultern wir die Bikes die Stiegen hinauf ins Kaisertal. Gutes Aufwärmtraining. Um 8.00 geht es schon zum Mirakelbrunnen und nach Jause und Zähneputzen ( man glaubt es kaum, aber Christian nimmt es damit sehr ernst) steigen wir um 9.30 in die endlosen Anfangsplatten ein. Nichts Schweres und so geht es am T-block rasch aufwärts. Doch die erste Schlüsselstelle bremst uns ordentlich ein. Steile Wandkletterei an nicht zuverlässigen Schüppchen und danach ein extrem brüchiger Quergang zum sehr unangenehmen Ao-Rutscher, den ich nur A1 bezwingen kann. Die anschließende IV+ darf Christian führen und er räumt ordentlich loses Gestein ab. Von da an ist von dem hervorragenden Fels nicht viel übrig. Es gibt praktisch keine Seillänge, die durchwegs fest wäre. Der feste Fels bezieht sich jeweils nur auf wenige Meter und damit wirken die Schwierigkeiten auch deutlich unterbewertet. Sogar bei VI- Stellen muss ich mich gelegentlich am Haken festhalten. Ab SL 14 erwischt uns die Sonne und saugt uns förmlich die Energie aus den Armen und noch mehr aus den Kletterpatschen. Unser Klettertempo lässt nach. Christian kämpft und schimpft in der 17. SL. Obwohl nur VI braucht er in einer erneuten Bruchpassage sein ganzes Klettertalent. Die Krönung ist die beschriebene, morsche, überhängende Wand, welche Ao zu klettern ist. Auch hier räumt Christian ganz schön ab, allerdings finde auch ich noch im Nachstieg allerlei Material um das Schotterkar tief unten aufzufüllen. Wir hoffen nun nach 23 SL, dass die Wand, lt. Beschreibung, nun fest wird. Aber immer wieder kommen entweder viele Rasenpolster oder mittelgrobes Bruchwerk zu Tage. SL 24 klettert Christian in den Turnschuhen, allzu sehr schmerzen schon die Zehen. Die letzte der 27 SL überlässt er mir, denn die Zehen erlauben kein weiteres Vorsteigen mehr. Doch auch in dieser SL sind mindesten 1/3 nicht fest und somit kann man zusammenfassen: Bruch bis zum letzten Meter.
Die letzten 200 Meter gehen wir schon etwas ermüdet, aber vor allem ausgedörrt zum Gipfel. Auch diese Meter sind natürlich alles andere als fest und dazu passt auch der schrofige, tlw. seilversicherte Abstieg, der mit einer ordentlichen Steinsalve von Nachsteigern gewürzt wird.
Am Hans Berger-Haus resümieren wir , dass die Bohrmaschine wohl doch nicht immer ein Segen fürs Klettern ist, denn ohne diese würde diese Tour wahrscheinlich niemand angehen, auf alle Fälle aber würde niemand sie wiederholen. Dies spiegelt sich auch darin wieder, dass wir die 11. Begehung und in diesem Jahr die Erste für uns verbuchen durften.
Walter
Tourendatum: 27.8.2016