Großer Bettelwurf, 2725m

Peter ist schon wieder im Süden untergetaucht, wieder einmal finde ich keine freien Kletterer, also sollte etwas anderes Gscheites her. Ein Kurzbesuch in Tirol lässt mich sofort bei Andreas anklopfen, denn neben guten Ideen ist er auch konditionell nicht umzubringen. Die geplante Schitour zum Ortler fällt leider temperaturmäßig ins Wasser, somit erhalte ich wieder eine Einladung in sein „Wohnzimmer“.

Um den langen Talhatscher ins Halltal zu ersparen satteln wir die Räder. Andi hat eines für mich parat. Der Umstand, dass das zur Verfügung gestellte Fahrrad 2 Nummern zu klein ist, entspannt die Situation nicht wirklich. Und da! Schon geht es los. Nach geschätzten 10 Pedalumdrehungen ist Andi auch schon 100 Meter vor mir und mit rechtwinkelig angezogenen Knien versuche ich ihm irgendwie nachzukommen. Es geht besser, als gedacht, nur beim Bremsen gibt es noch Probleme, denn auch der Lenker ist sehr klein, sodass ich die Bremsen anfänglich immer zu weit außen suche. Nach einer ¾ Stunde darf ich endlich das Rad abstellen und zu Fuß fühle ich mich sichtlich wohler. Der Rucksack ist allerdings relativ groß, denn die schweren Bergschuhe und Steigeisen wollen auch mit.

Mit strammem Schritt geht Andi voraus. Man merkt nicht, dass er am Vortag über 5000 Hm radelte. 2 zahme Gämsen begleiten uns ein Stück, doch dann geht ihnen die Puste aus und sie bleiben zurück. Jede Abkürzung wird genützt und so gewinnen wir rasch an Höhe. Ganz allein können wir die Umgebung genießen. Auf Hüttenhöhe brauche ich eine kurze Stärkung. Aus Gewichtsgründen habe ich allerdings zu wenig Brennstoff dabei. Es wird auch so gehen! Doch so allmählich merke ich, wie das ATP in den Muskeln weniger wird. Endlich eine kurze Pause, ich muss leider einen Schuhwechsel durchführen. Andi nutzt die Gelegenheit und spurt im tiefen Sulz voraus. Der Wechsel zwischen Schneegestapfe und Schrofenkletterei macht Spaß. Ich finde meinen Rhythmus und kann letztendlich Andi am Gipfelgrat fotografieren. Kurz darauf schütteln wir uns und die Hände und Andi erklärt mir jeden Karwendelgipfel,-Vorgipfel,-zapfen und –Grat und –Rinne und…, sein Wohnzimmer eben. Die Überschreitung zum Kleinen Bettelwurf fällt wegen weicher Wechten aus und so geht es am selben Weg wieder abwärts. Im steilem Sulzgelände löst Andreas immer wieder ganz ordentliche Nassschneerutsche aus, aber wir kommen so zügig abwärts. Ein kurzes Stoßgebet:“ Lieber Gott, lass den Andreas  langsamer gehen!“ wird erhört und ich kann ihm besser folgen. Doch die Freude ist nur von kurzer Dauer, denn über den Jägersteig und der abschließenden Schotterreise gibt der Knabe wieder Gas. Was bin ich froh, als wir beide in St. Magdalena bei Knödel und Apfelsaft sitzen. Zu meinem Erstaunen ist Andi allerdings auch beim Essen genauso schnell wie beim Gehen und kurze Zeit später sitzen wir auch schon wieder auf unseren Rädern. Diesmal ist mir allerdings die Radgröße egal, denn besser schlecht gefahren, als gut gegangen.

Dankend trennen sich wieder unsere Wege, doch die Freude auf einen neuen Bergsprint ist uns anzusehen.

Walter

Tourendatum: 27.5.2016