Großes Wiesbachhorn (3.564m) – Hinterer Bratschenkopf (3.413m) – Klockerin (3.425m)

„Es gibt kein Bier auf Hawaii…“ so, oder so ähnlich geht ein Schlager aus vergangenen Zeiten. Wir waren zwar nicht auf Hawaii, besitzen weder Surfbrett noch  wollten wir einen Vulkan besteigen. Aber trotzdem gab es kein Bier, und das auf einer Alpenvereins Hütte, das war neu. So geschehen auf dem Heinrich Schwaiger Haus in den Hohen Tauern. Fairerweise muss ich erwähnen, dass wir bei einem Anruf auf der Hütte vorgewarnt wurden….aber trotzdem…
Es begann alles wie immer am frühen Morgen. Das kleine, unscheinbare, von Türken besetzte Örtchen Jenbach schlummerte noch vor sich hin, als wir uns, im Schutze des Morgengrauens auf den Weg ins Salzburgerland begaben. Schnell ließen wir das Zillertal und den Gerlospass hinter uns, und brachten schließlich unser Auto auf der 10. Etage des riesigen Parkhauses oberhalb von Kaprun zum Stillstand. Bei der Gelegenheit touchierte ich noch die Betonwand, ein kleines Andenken, sozusagen…
Der Versuch, mit vorgetäuschtem Salzburger  Dialekt den Einheimischentarif zu ergattern, scheiterte kläglich. Auch etliche indiskrete Versprechen an die freundliche Dame am Busticketschalter führte nicht zum erwünschten Erfolg. Eine herbe Niederlage, die erst einmal verkraftet werden musste.
Na dann eben AV Ermäßigung, und rauf ging es mit dem ersten Bus, durch endlose Tunnel und  Stollen, zu den Kapruner Stauseen.
Auf dem Heinrich Schwaiger Haus angelangt, gab es eine kleine Stärkung und die erste, unauffällige Kontaktaufnahme mit den zwei netten Hüttenmädels…man weiß ja nie wie kalt die Nacht wird…
Die Pause dauerte nicht lange, weil schließlich wollten wir noch auf das Große Wiesbachhorn. Also, überflüssiges Gepäck abladen und los ging es durch den steilen Kamin gleich oberhalb der Hütte. Ich hab noch nie so schöne und liebevoll verlegte Stahlseile gesehen…ich bin begeistert…Hut ab. Es dauerte nicht lange und wir erreichten den Kaindlgrat. Von dort ging es dann steil bergauf, bis wir vor dem Gipfelkreuz des Wiesbachhorns standen. Die Fernsicht war leider schon ein wenig eingetrübt, die angekündigte Schlechtwetterfront im Anrollen.
Nach unserer Rückkehr auf der Hütte mussten wir mit tiefer Bestürzung feststellen, dass inzwischen auch der letzte Tropfen Wein konsumiert wurde. Jetzt gab es nur noch Hochprozentiges, klares Feuerwasser, besser bekannt unter dem Namen „Schnaps“. Für Feuerwasser war es aber noch zu früh. deshalb spülten wir unsere Enttäuschung mit heißem, schwarzen Kaffee runter, und, obwohl Frustessen keine Lösung ist, gönnten wir uns noch ein Stück vom süßen Glück, eine große Portion Kuchen.
Das Timing war gut, inzwischen wurden die Wolken  immer dichter und es dauerte nicht lange bis die ersten heftigen Regentropfen am Boden einschlugen.
Der Hüttenabend dauerte ohne Gerstensaft nicht lange. Dafür war der kulinarische Genuss umso größer. Sogar mein vegetarisches Essen wurde problemlos zubereitet, was nicht immer der Fall ist. Ich wurde weder beschimpft, aus der Hütte gejagt noch mit Speckknödel beworfen…gut so. Außerdem, und das halte ich für besonders erwähnenswert, befand sich auf der Hütte kein einziger unserer geliebten nördlichen Nachbarn. Eine DAV Hütte ohne Alemannen…so schön kann die Bergwelt sein.
Der nächste Morgen zeigte sich von seiner besten Seite. Ein wunderschöner Sonnenaufgang und perfektes Bergwetter. Nach einem kurzen Frühstück starteten wir gegen 7 Uhr durch und machten uns wieder auf den Weg. Bratschenkopf und Klockerin waren heute unsere Ziele. Einen kleinen Wermutstropfen hat diese Tour allerdings. Wir mussten gleich wie gestern wieder zum Kaindlgrat hinauf. Das ist so, wie mit der gleichen Frau zweimal zu schlafen, na ja, wenn es sein muss…
Vorschriftsmäßig angeseilt überquerten wir das Kaindlkees und kurz darauf erreichten wir den Bergfuß des Hinteren Bratschenkopfes. Der Rest der Bergsteiger hatte sich das Wiesbachhorn als Ziel gesetzt, so waren wir heute alleine auf dieser Tour. Der Bröselhaufen auf dem wir uns befanden, wurde immer steiler. Wegen des gestrigen Schlechtwettereinbruchs lag überall Schnee und Graupel auf den Felsbändern. Eine ziemliche Rutschpartie, nichts mit einem gemütlichen Aufstieg. Irgendwie schwindelten wir uns bis zum Gipfelkreuz und insgeheim wussten wir schon, dass der Abstieg alles andere als lustig werden würde. Entschädigt wurden wir durch den schönen und gleichmäßigen Aufstieg zur Klockerin. Das Wetter war sogar besser als gestern und so standen wir bei strahlendem Sonnenschein und kilometerweiter Fernsicht auf diesem eher selten besuchten Gipfel. Zurück auf dem Bratschenkopf versuchten wir eine günstige Abstiegsroute zu finden. Die ersten Meter kletterten wir noch am Gipfelgrat ab, aber dann wurde es zu rutschig und zu bröselig. Also, Seil raus und abseilen, bis wir wieder sicheren Boden erreichten. Der restliche Weg zurück zur Hütte war dann ein Kinderspiel. Nochmals gestärkt durch Kaffee und Kuchen machten wir uns auf den Weg zurück zu den Stauseen. Dort angelangt, mischten wir uns unauffällig und übel riechend unter die unzähligen Touristen aus aller Welt. Wir bestiegen den nächsten Bus und düsten, wieder durch Tunnel und Stollen zurück ins Tal, ließen uns im nächsten Gastgarten nieder und bestellten uns ein…BIER!!!

Wulfgäng