Pizzo Scalino – südl. Berninagruppe

Der Kurzurlaub im Engadin hat schon bestens begonnen – Fell vergessen und eine Nacht durchgekozt. Bei meinem Genesungstag ließen wir es ruhig angehen und fuhren mit der Berninabahn nobel nach Poschiavo – und oberhalb steht er, der formschöne Pizzo Scalino. Nicht der höchste Berg der Umgebung (Bernina, Palü et al. werfen große Schatten) – aber ein unbekannter.
Zurück in Pontresina mussten wir uns im Bergführerbüro so einiges anhören: Frage: „Wie schaut denn der Gletscher am Pizzo Scalino aus – wir haben nämlich nichts mit…“ Antwort: „Pizzo wer?“ „Scalino – oberhalb von Poschiavo.“ „Ha! Da gehen wir nicht hin – der steht ja in einem anderen Tal!“ Hilfsbereit wie die Schweizer sind, wird telefoniert und wir erhalten die Auskunft: „Volles Programm und für den Grat Pickel und Steigeisen“. „Ähh noch eine Frage – können wir uns ein Paar Felle ausleihen?“ „Oh mei, was habt ihr Österreicher denn im Hirn? Fahren wir mal in die Schweiz, so ein wenig zum Bergsteigen, hä? Ihr seid ja ärger als unsere Kunden, denen müssen wir auch immer sagen, dass man im Winter Handschuhe braucht und eine Sonnenbrille am Gletscher.“ Die Felle haben wir schließlich bekommen, und auf den Hinweis, sollten wir sie erst nach Geschäftsschluss zurückbringen, bräuchten wir nur anzurufen – man weiß ja nie ob man nicht biwackieren muss, konnten wir getrost entgegnen, dass wir sicher nicht biwackieren werden, weil wir ja auch keinen Biwacksack dabei haben…  In der Unterkunft brachten wir schließlich das WLAN zum laufen und staunten nicht schlecht über die vielen Fotos im besten Tourenplanungsprogramm (Google Earth), auf denen regelrechte Karawanen auf unseren Gipfel ziehen. Zumindest wussten wir, dass wir getrost ohne das viele Zeugs die 1900 Höhenmeter marschieren konnten.
Von den Spuren her sahen wir, dass am Sonntag wohl so gegen 15 Schitouristen am Berg waren – nicht wenige von der italienischen Seite (von dort ist es merklich kürzer). Glücklicherweise geht am Montag aber kein Mensch mehr auf Tour und das weite Gelände ließ noch genug Platz für eigene Linien. Der Grat hat wohl alle Schitouristen am Vortag abgeschreckt und so konnten wir nach kurzer Kletterei und Stapferei einen herrlichen Rundblick vom einsamen Gipfel genießen. Im N die Berninagruppe mit Piz Roseg, Bernina, Zupo, Palü… im NO die Ortlergruppe nach O Adamello und Presanella, nach S die Bergamasker Alpen, nach W das Bergell mit dem mächtigen Monte Disgrazia und in weiter Ferne Monte Rosa und Berner Oberland.
Die Abfahrt wurde zum Pulvertraum – zumindest die oberen 1000 Höhenmeter – darunter dann bester Larcher-Pulver und schließlich die letzten Schwünge im Halbgefrorenen. Als rustikalen Abschluss gab es noch eine Lettenschlacht, denn schließlich ist das Auto in der Parkplatzwiese versumpft. In grob einer Stunde wurde mithilfe des Strauchschnittes aus Nachbars Garten die Karre zentimeterweise aus dem Dreck manövriert. Auto und Besatzung sahen schließlich aus wie die Gewinner des lokalen Ackersauderbys und somit konnten wir mit breitem Grinser im lokalen Nahversorger für Kaloriennachschub sorgen.

Rainer Prinz und Michael Winkler

Tourendatum: 21.03.2011