Nanga Parbat 1953

Seit den Sturmtagen des Jahres 1934, die der damaligen Expedition im Angesicht des nahen Gipfelsieges den bitteren Tod von 3 deutschen und 6 eingeborenen Bergsteigern brachten, und seit der Katastrophe von 1937 als die Eislawine des Rakiot Peak die gesamte zufällig in einem Lager zusammen gedrängte Mannschaft in einem Zuschlagen vernichtete, wurde der Nanga Parbat der „Deutsche Schicksalsberg in Asien“ genannt.

Es verlangte gute Nerven und das sichere Gefühl ausreichender Leistungsfähigkeit diesen Berg wieder anzugehen. Nerven und Zähigkeit für das Zustandekommen der erfolgreichen Expedition des Jahres 1953 brachte der Initiator dieser Kundfahrt, Dr. Herigkofler, München, auf der eine leistungsmäßig erprobte Mannschaft um sich versammelte.

1932, 1934 und 1937 waren bereits Mitglieder unseres Klubs beim Ansturm auf den Nanga Parbat beteiligt gewesen. 1937 hatte der Klub den Bergtod Pert Fankhausers am Nanga Parbat zu beklagen – dadurch riss die Erinnerung an diesen Berg in unserem Kreis nie ab. Es war also nur natürlich, dass wir mit Begeisterung hinter diesem Unternehmen standen. Wir fühlten eine Art Verpflichtung, die sich aus unserer Teilnahme an früheren Expeditionen ergab, wir wollten mithelfen zu vollenden was schon so viel Kraft und Opfer gefordert hatte, und wir hatten die Ehre, drei unserer Mitglieder bei dieser Kundfahrt des Jahres 1953 zu sehen, an der Peter Aschenbrenner schon vor der Abreise maßgeblichen Anteil hatte.
Vom ersten Augenblick an, als uns Peter Aschenbrenner erzählte, dass an ihn um sein Mitwirken herangetreten wurde, hat es bei uns allen gezündet. Mit jedem Hindernis, das sich den Vorbereitungen entgegenstellte, wuchs unsere Teilnahme vielfach, mit jedem Erfolg unsere Vorfreude. Kaum jemals vorher haben wir alle eine bergsteigerische Unternehmung sosehr zu unserer eigenen Sache gemacht. Mit der Teilnahme unserer Klubbrüder wurde die ganze Kundfahrt zu unserer Herzenssache. Nicht nur ihnen, der ganzen Expedition versuchten wir mit all unseren Kräften den Weg zu ebnen, für jeden waren wir bereit, eine Lanze zu brechen.

Dann kam der Sturm auf den Berg selbst, von dessen Schwierigkeiten und Härte wir daheim nichts verspürten, während er ausgekämpft wurde, bei dem aber unsere Herzen mit einer Wärme und Anteilnahme bei unseren Klubbrüdern waren wie wohl noch nie bei einer bergsteigerischen Unternehmung zuvor. Mit Sorge hörten wir von Rückschlägen infolge großer Schneefälle, mit Sorge verglichen wir das Vorwärtskommen im Ablauf der Wochen mit dem Ansturm früherer Jahre und hofften heiß, dass es doch endlich gelingen möge.

Und als am 3. Juli 1953 Hermann Buhl in einer einmalig dastehenden Willensleistung und körperlichen Höchstform, begünstigt von gutem Wetter, den Einsatz der ganzen Mannschaft durch seinen überragenden Alleingang zum Gipfel krönte, da war die Freude in ganz Österreich und Deutschland und besonders in unserem Klub riesengroß. Da war nicht nur der erste Achttausender durch deutsch sprechende Bergsteiger erstiegen da war eine Tat gesetzt, die ein Beispiel dafür gab was menschlicher Wille und menschliche Zielstrebigkeit vollbringen können, da war es eine stolze Genugtuung, dass im gleichen Jahr in dem die Briten ihren Mount Everest erreichten, Deutsche und Österreicher am Nanga Parbat siegreich waren. Für unseren Klub war es der stolzeste Bergerfolg überhaupt, die Erfüllung eines über 20 Jahre zurückreichenden bergsteigerischen Strebens und auch die Erfüllung der Verpflichtung die der Bergtod Pert Fankhauserers für uns bedeutet hatte.

In großer Freude und in großen Stolz über die Ersteigung des Nanga Parbat mischte sich nur ein leises Bedauern: dass es Kuno Rainer infolge einer durch seinen rastlosen Einsatz am Berg verursachten Krankheit nicht möglich war, mit Hermann Buhl weiter vorzustoßen, möglichst bis zum Gipfel – aber es wäre wohl unbescheiden, gleich zwei Männer unserer kleinen Runde als Gipfelsieger sehen zu wollen. Denn zu dem errungenen Erfolg kam noch die tiefe Freude, dass alle Teilnehmer der Kundfahrt und damit auch unsere Klubkameraden wohlbehalten wieder heimgekommen sind. Und diese Freude umfasste alle gleich, denn wir hatten wohl gewusst, dass beim Kampf um einen Achttausender Sicherheit und Wohlbefinden der Bergsteiger entgegen der sonstigen Regel unter Umständen auch einmal zurückgestellt werden können. Nur Hermann Buhl hatte für sein einsames und eisiges Biwak in über 8000 Meter Höhe später noch einen Tribut zu zahlen. Die Verschlechterung seiner Erfrierungen machte eine Zehenamputation notwendig.

Wir wünschen unseren Klubbrüdern, dass sie noch öfters Gelegenheit zu Einsatz und Bewährung bei großen bergsteigerischen Aufgabenfinden mögen, weil jede Leistung auch die größte, kein Abschluss sein soll, sondern ein neuer Anfang und ein Glied in der Kette der Entwicklung einer Idee.

Die Klubleitung: Erwin Schneider

Orginaltext aus dem Karwendler Jahresbericht 50 Jahre Alpiner Klub Karwendler von 1904 bis 1954