Hochstadel Nordwand

Die anscheinend höchste Felswand Österreichs wirft mittlerweile schon einen langen Schatten in den Lienzer Talboden – Grund genug den Sonnenverdunkler etwas näher zu betrachten. Leider ist der Zustieg zur Wand durch den Lavanter Graben langwierig, aber wenn die Schlüsselwörter Mayerl und Berg fallen, verleiht so mancher Bauer dankenswerterweise seine Schrankenschlüssel, damit man als echter Bergsteiger allradgetrieben bis zum Wandfuß fahren kann.
Das erste Drittel der Wand ist recht schnell geschafft. Über noch apere Schrofen, Rinnen und Bänder zuerst rechts dann links bis zum Beginn der Hauptschwierigkeiten. Hier wird schnell klar, dass die Sonne schon einige Wochen nicht mehr in die Wand schien – Griffe und Tritte sind mit einer zentimeterdicken Eisglasur mit Puderzucker verziert. Auf den nächsten grob 800 Höhenmetern gibt es also genug Gelegenheit das Klettern mit Steigeisen zu erlernen. Wo man sich im Sommer über einen flotten Dreier freut, scharrt man jetzt mit den Steigeisen über den vereisten Fels. Für fünf, sechs Längen binden wir uns ins Seil, bis wir die Gipfelschlucht erreichen. Über Lawinenknollen, Kamine und Klemmblöcke stapfen wir weiter. Mit jedem Meter nimmt die Schneehöhe deutlich zu. Frau Holle hat ihre Betten am Nationalfeiertag offensichtlich am Hochstadel ausgeschüttelt. Nach Erreichen des Wandbuches wühlen wir im feinsten Pulverschnee über die Ausstiegsbänder nach links auf den Gipfelgrat. Bis zur Hüfte versinken wir an den letzten aber mühsamen Aufschwüngen. Als Lohn empfängt uns dafür nach knapp sieben Stunden Schrubben und Spuren endlich die Sonne am Gipfel.
Sepp Mayerl jr. und Rainer Prinz
Tourendatum: Weltspartag 2011